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An den Quellen der Müglitz

- zwischen Zinnwald/Cínovec und Adolfov/Adolfsgrün -

Text: Jens Weber, Bärenstein (Ergänzungen: Jan Kotera, Teplice; Holger Menzer, Paulsdorf; Christian Kastl, Bad Gottleuba)
Fotos: Raimund Geißler, Holger Menzer, Jens Weber


Landschaft

Rau und karg wirkt die Landschaft im Schatten von Cínovecký hrbet/Zinnwalder Berg (881 m üNN), Lysá hora/Kahler Berg (836 m üNN) und Komárí hurka/Mückenberg (808 m üNN). Besonders wenn im Herbst oder Winter mitunter tagelang der "Böhmische Nebel" über die Sättel zieht und eisiger Wind die Moorbirken und Ebereschen peitscht, dann kann es hier richtig ungemütlich sein.


Haferernte in Zinnwald (Archiv Osterzgebirgsmuseum Lauenstein)

Und dennoch versuchten Menschen schon zu Beginn der Erzgebirgsbesiedlung, den mageren Böden einen Lebensunterhalt abzutrotzen. Fürstenau und Fürstenwalde, Voitsdorf/Fojtovice und Ebersdorf/Habartice wurden bereits im 13. Jahrhundert gegründet. Trotz der Höhenlage um 700 m und der überwiegend wenig ackerfreundlichen Ausganggesteine (Quarzporphyr/Rhyolith im Westen, Granitporphyr/porphyrischer Mikrogranit im Zentrum sowie Rotgneis/Metagranit im Osten) waren die ersten Siedlungen landwirtschaftlich orientiert. Ihre Fluren zeigen noch heute den Charakter typisch erzgebirgiger Waldhufendörfer. Teilweise kilometerlange und meterhohe Steinrücken begrenzen die einzelnen Hufenstreifen und verschaffen der Landschaft somit ein interessantes Muster - außerdem reichlich Lebensräume für Pflanzen und Tiere, die woanders längst selten geworden oder ganz verschwunden sind. Während der Blüte Ende Mai und der Fruchtreife im September ergeben die vielen Ebereschen auf den Steinrücken einen reizvollen Farbkontrast.

Recht bald nach der Gründung der Dörfer wurde auch der Bergbau wichtig. Zur Aufarbeitung Lauensteiner Eisenerzes entstand der Fürstenwalder Ortsteil Kratzhammer. Daran erinnert heute noch die "Hammerschänke". Der Bergbau auf das "fürtreffliche" Eisen währte aber nur zwei Jahrhunderte.


Mückentürmchen bei Horní Krupka/Obergraupen

Fojtovice/Voitsdorf hingegen liegt im unmittelbaren Umfeld des Mückenberges, wo der mitteleuropäische Zinnerz-Bergbau zu Beginn des 13. Jahrhunderts seinen Anfang nahm. Das Mückentürmchen - ein Nachbau des alten Glockenturmes, von dem aus einst die Bergleute zur Schicht gerufen wurden - ist das Wahrzeichen der Gegend. Um 1400 begann auch die Erschließung von Zinnerz-Lagerstätten einige Kilometer westlich - es entstanden die Ortschaften Vorder- und Hinter-Zinnwald/Cínovec. Geologische Grundlage des Zinnwalder Bergbaus ist ein anstehender Granitstock von reichlich einem Kilometer Länge und etwa 300 Meter Breite, mit Zinngehalten von maximal 0,8 % in Gängen und 0,2 % in Greisen. Ab Ende des 19. Jahrhunderts wandten sich die Bergleute zunehmend den Wolframbestandteilen und dem Lithiumglimmer ("Zinnwaldit") zu. Das bis dahin unbeachtete Wolfram wurde zur Stahlherstellung benötigt, Lithium hingegen als Legierungsbestandteil bei der Aluminiumproduktion (beispielsweise im Flugzeugbau).

Um das Erz über weite Strecken transportieren zu können, musste es vorher vom tauben Gestein getrennt werden. Die dazu erforderlichen Pochwerke und Erzwäschen benötigten einen mehr oder weniger regelmäßigen Zufluss an Oberflächenwasser zum Antreiben der technischen Anlagen. Am steilen Südabhang des Gebirges sind die Bäche zwar gefällereich, haben aber nur ein kleines Einzugsgebiet und damit eine sehr veränderliche Wasserführung. Der Kammbereich hingegen ist weitgehend flach, von Natur aus moorig, aber nur von wenigen natürlichen Wasserläufen durchzogen. Erst weiter nördlich sammelt sich das abfließende Wasser in Bächen. Heerwasser, Pfarrwasser, Kalter Brunnen und Erdbach fließen bei Geising zusammen und bilden von dort aus, gemeinsam mit dem von Altenberg zuströmenden Schwarzwasser, das Rote Wasser (mitunter auch Rote Müglitz genannt). Die eigentliche Müglitz (Weiße Müglitz) entspringt in der ehemaligen Dorflage von Vorderzinnwald, nimmt im weiteren Verlauf den Voitsdorfer Bach auf und schließlich auch den Schwarzbach an der kleinen Talsiedlung Müglitz. In Lauenstein vereinigen sich Rote und Weiße Müglitz.


In der kleinen Siedlung Müglitz wurde früher das Erz zerkleinert und das taube Material ausgewaschen.

Ab dem 15. Jahrhundert entwickelte sich Geising zunehmend zum regionalen Zentrum der Erzaufbereitung. Material aus Zinnwald, Altenberg und sogar vom Obergraupener Zinnrevier (Mückenberg) wurden hier zerkleinert und von unerwünschten Nebenbestandteilen gereinigt. Um den nötigen Wasserzufluss für den Bergbau zu gewährleisten, legte man einerseits Teiche an (Hüttengrundteich Geising, Langer Teich am "Toten Kind" in Cinovec/Böhmisch Zinnwald), führte andererseits über Gräben Moorwasser aus den Kammlagen zu den Bergbauorten (Aschergraben, bereits seit Mitte des 15. Jahrhunderts).

Obwohl einige Gruben am Mückenberg noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts, in Cínovec/Böhmisch-Zinnwald bis 1990 in Betrieb waren, nahmen Intensität und wirtschaftliche Bedeutung des Bergbaus bereits im 19. Jahrhundert drastisch ab. Nur noch wenige Menschen aus den Gebirgsdörfern konnten hier ein Zubrot verdienen. Die meisten Dörfler auf dem Erzgebirgskamm waren sehr arm. Etliche Männer arbeiteten nebenher für sehr geringes Entgelt in den gutsherrschaftlichen Wäldern. Vor allem Frauen und Kinder mussten versuchen, das spärliche Familieneinkommen mit Strohhutflechterei aufzubessern. Viele Bewohner waren aber auch gezwungen, Beschäftigung in der aufblühenden Industrie am Erzgebirgsfuß zu suchen.


Blick über den Geierspass ins Böhmische Mittelgebirge

Bereits seit dem Beginn der Besiedlung überquerten alte Handels- und Pilgerpfade auch diesen Teil des Erzgebirgskammes, vor allem über den Pass am Geiersberg/Supí hora (unmittelbar östlich des Mückenberges/Komárí hurka) nach Mariaschein/Bohosudov mit der bekannten Wallfahrtskirche (heute Stadtteil von Krupka/Graupen). Im 17./18. Jahrhundert wurde die "Alte Dresden-Teplitzer Poststraße" genutzt. Sie führte, von Breitenau kommend, über Fürstenwalde, querte an den Schwarzen Wiesen (südwestlich des Haberfeldes) die Grenze nach Böhmen, verlief weiter nach Ebersdorf/Habartice und schließlich über den Geierspass. Der sächsische Kurfürst ließ sie 1725 vermessen und in den Folgejahren mit Meilen- und Halbmeilensäulen sowie Viertelmeilensteinen bestücken (alte Meilensäule noch an der Straße Fürstenwalde - Liebenau). Doch weil der Anstieg am Südabhang des Gebirges hier allzu steil war, verlor der Pass bald seine Bedeutung.

Als der Erzgebirgskamm vor 150 Jahren dann immer besser durch Straßen erschlossen wurde, konnten die Bergbauern auch neue Märkte erschließen für das hier oben am besten gedeihende Landwirtschaftsprodukt: gutes, kräuterreiches Gebirgsheu. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts rollten im Sommer zweimal wöchentlich hoch beladene Planwagen auf den neuen "Chausseen", vor allem im Müglitztal, zum großen Heumarkt an der Dresdner Annenkirche, wo das Heu bei den städtischen Pferdefuhrunternehmen dankbare Abnehmer fand. Der jahrhundertealte, karge Selbstversorgungsackerbau trat zurück, immer mehr Flächen wurden in Mähwiesen umgewandelt. In kurzen, regenfreien Sommerwochen zog nahezu die gesamte männliche Dorfbevölkerung vor Sonnenaufgang mit Sensen auf die Wiesen der Dorffluren, während Frauen und Kinder tagsüber mit Rechen das gemähte Gras wenden mussten, bis es getrocknet war. Dann wurden die Halme "geschlotet" (zu langen Reihen zusammengeharkt), auf Ochsenwagen geladen und schließlich in die Scheunen eingefahren.

Gleichzeitig erschlossen sich auch mehr und mehr Sommerfrischler den Erzgebirgskamm und brachten die Kunde von den herrlich bunten Bergwiesen mit in die Städte.

Bekannt waren Geising und die umliegenden Orte seit jeher für ihre Erzgebirgsziegen, die hier fast jede Familie hielt. Die Erträge der Böden reichten nicht für Rinder, also galt die Ziege als "die Kuh des kleinen Mannes". Noch heute trägt die Stadt im Volksmund den Beinamen "Ziechngeisich". Mit dem alljährlichen Ziegenmarkt im Wildpark Hartmannmühle bemühen sich die Stadtväter, diesem Titel heute wieder gerecht zu werden.

Die Erzgebirgsziege

Die im Grenzraum zwischen Sachsen und Böhmen gehaltenen Ziegen galten als eigene Rasse. Die Tiere konnten unterschiedlich gefärbt sein, waren meist allerdings rehbraun mit schwarzem Streifen auf dem Rücken und schwarzen Unterbeinen. Bei echten Erzgebirgsziegen hatten die weiblichen Tiere keine Hörner. Ihre Euter waren kräftig und konnten im Jahr bis zu 800 Liter Milch geben. Doch ob es heute noch echte Erzgebirgsziegen gibt, ist heute zweifelhaft. Zu DDR-Zeiten war der Bestand drastisch zurückgegangen, dennoch hielten einige Privatleute diese Tiere. Nach Grenzöffnung 1990 wurden jedoch andere Ziegenrassen, vor allem Frankenziegen, eingekreuzt. Als die Fachwelt auf das Problem aufmerksam wurde, war es wahrscheinlich schon zu spät - und die Erzgebirgsziege als eigenständige Rasse ausgestorben. Die noch existierenden Tiere werden von den Züchtern seit einigen Jahren nur noch als Typ der Bunten Deutschen Edelziege geführt.


Erzgebirgsziege

Die schwierigen landwirtschaftlichen Verhältnisse brachten es mit sich, dass seit Ende des 19. Jahrhunderts große Teile der Fluren aufgeforstet wurden. Dazu gehörten unter anderem die steilen Geisinger Leiten, nahezu ein Drittel des heutigen Waldes zwischen Kohlhaukuppe und Zinnwalder Berg, sowie weite Bereiche um die Klengelkuppe und an den Müglitzhängen. Erhebliche weitere Aufforstungen waren nach dem Hochwasser 1927 im Gespräch - in der irrigen Annahme, ein Fichtenforst könne Wasser besser zurückhalten als eine Bergwiese - und auch nach 2002 wurden wieder entsprechende Forderungen erhoben.


Wo früher die Äcker von Vorderzinnwald lagen, hüllt heute Wald die Steinrücken ein.

Eine schwere Zäsur ergriff den Erzgebirgskamm in den Jahren 1945/46. Wie überall in Nordböhmen sollten die sudetendeutschen Bewohner der böhmischen Erzgebirgsdörfer für die nationalsozialistischen Verbrechen Deutschlands büßen und mussten innerhalb kurzer Zeit ihre Heimat verlassen. Doch eine tschechisch-sprachige Bevölkerung hatte es zuvor hier oben faktisch nicht gegeben. Nach der Volkszählung von 1921 lebten damals in Hinterzinnwald unter 1220 deutschen Bewohnern nur 10 Tschechen, in Vorderzinnwald unter 248 Deutschen ein einziger Tscheche. Das Ergebnis der Vertreibung war eine weitgehende Entvölkerung des Kammgebietes. Vorderzinnwald, Ebersdorf, Böhmisch-Müglitz und Streckenwald wurden bis auf ganz wenige Reste vollkommen aufgegeben und weitgehend dem Erdboden gleichgemacht. Die einstigen Hofstätten erkennt man heute noch an einigen Grundmauern, an erhaltenen alten Dorfbäumen, an Gruppen von Salweiden und anderen Gehölzen, die sich auf dem Bauschutt angesiedelt haben, sowie an Zierpflanzen wie Narzissen, Schneeglöckchen, Flieder, Schneebeere und einigen mächtigen Rosskastanien. An anderen Orten versuchte die Regierung, Tschechen, Slowaken und Roma anzusiedeln. In Cínovec benötigte man Arbeiter für den Bergbau, in Fojtovice sollte Landwirtschaft betrieben werden. Viele der Hinzugezogenen fanden aber keine Beziehung zu der ihnen verordneten neuen Heimat und haben diese inzwischen wieder verlassen. Die Mehrzahl der Häuser in Cinovec wird heute nur noch an Wochenenden bewohnt. Das erst im 19. Jahrhundert gegründete Adolfov/Adolfsgrün blieb als kleiner Wintersportort erhalten.


Viele böhmische Dörfer des Erzgebirges wurden dem Erdboden gleichgemacht - und auch etliche der verbliebenen Häuser (hier in Fojtovice) bieten ein trauriges Bild.

Entsprechend wurde in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf den Landwirtschaftsflächen der böhmischen Seite nur eine extensive Weidewirtschaft betrieben. Zwischen 1990 und etwa 2003/04 lag fast das gesamte Offenland brach. Erst mit dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union scheint sich eine Bewirtschaftung wieder etwas mehr zu rentieren.


ebene Kammlandschaft zwischen Ebersdorf und Adolfsgrün

Anders verhielt es sich nördlich der Grenze. Die intensive Landwirtschaft mit hohem Tierbesatz und entsprechenden Güllemengen, mit beträchtlichem Einsatz chemischer Dünge- und Pflanzenschutzmittel hat auf den Fluren deutliche Spuren hinterlassen. Artenreiche Berg- und Feuchtwiesen sind zurückgedrängt worden auf einige ortsnahe Lagen sowie sehr abgelegene, unzugängliche Flächen, wie etwa in den Quellgebieten von Erdbach und Kaltem Brunnen an der Grenze.

Nachdem bereits der Bergbau früherer Jahrhunderte große Teile der ursprünglichen Bergmischwälder vernichtet hatte, begannen seit etwa 1970 auch die an deren Stelle gepflanzten Fichtenforsten abzusterben. Die schwefeldioxidreichen Kraftwerksabgase aus den nordtschechischen Braunkohlerevieren reicherten sich vor allem im Winterhalbjahr im sogenannten Böhmischen Nebel an. Die hohen Säurekonzentrationen der Nebeltröpfchen wirkten besonders intensiv auf die Fichtennadeln ein und führten zu akuten Verätzungen. Gleichzeitig waren - und sind immer noch - langfristige Versauerungen der ohnehin basenarmen Böden und Gewässer die Folge.


Der "Biehmsche Naabl" zieht über den Kamm.

Anstelle der abgestorbenen Fichten wurde in den meisten deutschen und tschechischen Forstrevieren mit Blaufichten und anderen Ersatzbaumarten aufgeforstet. Zinnwalder Berg/Cínovecký hrbet, Kahler Berg/Lysá hora und Haberfeld erscheinen heute überwiegend blau. Doch diese Aufforstungen waren nicht überall erfolgreich. Auf vielen Waldböden entwickelten sich seither Birken- und Ebereschen-Pioniergehölze, die mitunter zwar lückig, aber ziemlich naturnah und aus Naturschutzsicht wertvoll sind.


Weiß blühende Ebereschen geben der Landschaft am Mückenberg im Frühling ihr Gepräge.

Die touristische Erschließung dieses Teiles des Ost-Erzgebirges beschränkte sich in den letzten Jahrzehnten auf wenige Kernbereiche. Zum einen war und ist das Mückentürmchen mit seiner grandiosen Aussicht, der Ausflugsgaststätte und dem Sessellift ein Anziehungspunkt für Wanderer, Skifahrer und Touristen (zunehmend auch für Downhill-Mountainbiker). In Adolfov/Adolfsgrün stehen einige Abfahrtshänge und Skilifte zur Verfügung. Geising mit seinem historischen Stadtkern war schon zu DDR-Zeiten ein beliebter Urlaubsort mit Ferienwohnungen und Hotelzimmern, und es ist der Stadt gelungen, an diese Tradition anzuknüpfen. Auch in Zinnwald mit dem großen, weithin sichtbaren Hotel "Lugsteinhof" spielt der Tourismus eine zunehmende Rolle. Das gilt besonders, nachdem die hohen Schwefeldioxid-Belastungen nun der Vergangenheit angehören. Die Zukunftsperspektiven des Urlaubsortes Zinnwald dürften sich auch erheblich verbessert haben, seit der grenzüberschreitende Lkw-Verkehr auf die Autobahn A17 verlagert wurde. In Böhmisch Zinnwald hingegen floriert seit 1990 der Tank-Tourismus sowie der Handel mit Gartenzwergen, Becherovka, Billigzigaretten und vielem mehr.


Erzgebirgskamm auf dem Zinnwalder Berg/Cínovecký hrbet

Dennoch sind weite Bereiche, vor allem des nunmehr sehr dünn besiedelten tschechischen Kammgebietes bislang noch weitgehend unerschlossene Ruhezonen, die vor allem für störungsempfindliche Tierarten wie das Birkhuhn wertvollen Lebensraum darstellen. Um die wirtschaftliche Entwicklung auch an Naturschutzbelangen zu orientieren, wurde 1995 auf tschechischer Seite der Prírodni park Východní Krušné Hory (Naturpark Ost-Erzgebirge) eingerichtet.

Prírodni park Východní Krušné Hory

Der tschechische "Naturpark Ost-Erzgebirge" umfasst etwa 4700 Hektar Kammgebiet entlang der Grenze zwischen Cínovec/Böhmisch-Zinnwald und Petrovice/Peterswald. Das erklärte Ziel dieses Naturparks besteht in der Erhaltung des Landschaftscharakters mit den letzten Resten der für das Erzgebirge typischen Bergwiesen einschließlich ihrer charakteristischen Flora und Fauna. Die praktischen Maßnahmen - unter anderem die Wiedervernässung trockengelegter Grünlandgebiete - konzentrieren sich auf fünf Kernzonen: Cínovecký hreben (Gebiet zwischen Zinnwalder Rücken und Grenze), Cerná louka (Schwarze Wiesen westlich Adolfov/Adolfsgrün), Horské louky u Telnice (Tellnitzer Bergwiesen, südlich von Adolfov/Adolfsgrün), Špicák (Sattelberg) sowie Mordová rokle (Mordgrund zwischen Krásný Les/Schönwald und Petrovice/Peterswald).


Auf deutscher Seite gehört der größte Teil der Landschaft zum Projektgebiet des Naturschutz-Großprojektes "Bergwiesen im Osterzgebirge". In der Kernzone zwischen Pfarrwasser und Traugotthöhe finden seit 1999 zahlreiche praktische Maßnahmen statt, die unter anderem den Lebensraum des Birkhuhnes aufwerten sollen. In Bearbeitung ist derzeit die Ausweisung dieses Gebietes als Naturschutzgebiet "Grenzwiesen Fürstenau" (über 500 Hektar). Das einzige bisher bestehende Naturschutzgebiet auf deutscher Seite ist die Fürstenauer Heide, ein abgetorftes Moor am Rande von Fürstenau. Hinzu kommen noch mehrere kleinere Flächennaturdenkmale zwischen Geising und Grenze.

Besonders engagiert sich der Förderverein für die Natur des Osterzgebirges bei Biotoppflege und Artenschutz im Grenzraum zwischen Zinnwald und Haberfeld. In Kooperation mit dem Teplitzer Verein Ferguna wurden auch Initiativen für praktische Naturschutzmaßnahmen südlich der Grenze unternommen.

Die größte Bedeutung hat der östliche Ost-Erzgebirgskamm zweifelsohne für die Vogelwelt. Gegen Ende der DDR-Zeit wurde hier ein sogenanntes Birkhuhn-Schongebiet eingerichtet; seit den 1990er Jahren hat der knapp 3500 Hektar große Raum zwischen Zinnwald, Löwenhain, Liebenau und Staatsgrenze den Status eines "Special protected area " (SPA-Gebiet = Vogelschutzgebiet der Europäischen Union). Diese hohe Schutzkategorie konnte dennoch nicht verhindern, dass zunächst am Westrand bei Zinnwald die Errichtung einer gigantischen Grenzzollanlage und nun im Osten der Bau der Autobahn A17 den Lebensraum der Birkhühner einengen und erheblich beeinträchtigen.


Kohlhaukuppe

Pflanzen und Tiere

Nährstoffarme, saure Ausgangsgesteine und nur langsam abfließendes Niederschlagswasser prägen die Landschaft und ihre Pflanzenwelt unmittelbar nördlich des Erzgebirgskammes. Reste ehemaliger Moore findet man noch im Naturschutzgebiet Fürstenauer Heide sowie entlang der Grenze zwischen Zinnwald/Cínovec und Vorderzinnwald/Prední Cínovec. Anstelle der einstigen Hochmoorvegetation haben sich hier Karpatenbirken (nach heutiger Auffassung eine Unterart der Moorbirke) angesiedelt. In den ehemaligen Entwässerungsgräben kann man allerdings teilweise schon wieder üppiges Torfmooswachstum beobachten - der Beginn einer Moorregeneration. An wenigen Stellen gedeihen auch Moosbeere, Sonnentau und Scheiden-Wollgras. Ob diese Entwicklung allerdings in den nächsten Jahrhunderten erfolgreich sein wird, hängt davon ab, inwieweit die Entwässerung gestoppt werden kann. Der Rückbau der Gräben ist eine notwendige Voraussetzung, die allerdings angesichts der sich häufenden trocken-heißen Sommer nicht ausreichen wird.

Das gleiche gilt für die quelligen bis staunassen Wiesenbereiche. Solche Nasswiesen gibt es noch recht zahlreich, wo die Geisinger Bäche entspringen, vor allem aber im Einzugsgebiet des Schwarzbaches/Cerný potok. Typisch sind hier - neben mehreren Seggenarten - Sumpf-Veilchen, Schmalblättriges Wollgras und Kleiner Baldrian. Auch die Gefleckte Kuckucksblume kommt in einigen beachtlichen Beständen vor. Übergänge bestehen zu feuchten Borstgrasrasen mit Kreuzblümchen, Wald-Läusekraut, stellenweise auch Arnika.

Diese Borstgrasrasen wiederum zeigen kaum abgrenzbare Übergänge zu bodensauren, meist ebenfalls recht feuchten Bärwurz-Rotschwingel-Bergwiesen. Perücken-Flockenblume, Alantdistel und Wiesen-Knöterich fallen hier besonders auf.

Bemerkenswert sind auch die Uferstaudenfluren in Bachnähe. Meist dominiert der Raue Kälberkropf, aber auch Bach-Nelkenwurz, Akeleiblättrige Wiesenraute, Frauenfarn und Sumpf-Pippau kommen mit ziemlich hoher Stetigkeit vor.


Steinrücke bei Fürstenau

Die für die Fluren von Fürstenau, Fürstenwalde und Ebersdorf/Habartice charakteristischen Steinrücken zeigen hier nicht annähernd die botanische Vielfalt wie etwa die am Geisingberg. Fast immer bestimmen Ebereschen die Gehölzreihen, selten einmal unterbrochen von einer Sal-Weide, Birke oder Zitter-Pappel. Auch die Strauchschicht ist eher spärlich ausgebildet (Himbeere, Roter Holunder). Vor allem in Gebieten, die schon lange nicht mehr als Ackerland genutzt worden sind (wo also auch lange keine neuen Lesesteine aufgeschichtet wurden), ist die Kraut- und Grasschicht sehr dicht und selten besonders artenreich. Säure- und Magerkeitszeiger wie Weiches Honiggras, Wolliges Reitgras und Heidelbeere herrschen vor. Daneben wachsen auch Glattes und Gewöhnliches Habichtskraut, Echte Goldrute, Purpur-Fetthenne und Rundblättrige Glockenblume. Im Sommer fallen vor allem die violetten Blütenstauden des Schmalblättrigen Weidenröschens auf, zumindest da, wo Rehe und Hirsche dieser Vorwaldart eine Chance lassen.


Schmalblättriges Weidenröschen

Auch Feuer-Lilie und Busch-Nelke haben zwischen Kohlhaukuppe und Haberfeld einige Vorkommen, wenngleich deren eigentliche Schwerpunkte woanders liegen (Feuerlilie: Geisingberg, Buschnelke: Oelsen).

Das internationale Vogelschutzgebiet "Fürstenau" umfasst mit 3435 Hektar den gesamten deutschen Teil des hier betrachteten Gebietes. Es zählt zu den bedeutenden Vogelzuggebieten des Erzgebirges. Die Artenzahl und die Dichte der Brutvögel sind im Vergleich mit anderen SPA-Gebieten nicht besonders hoch, aber mehrere der hier lebenden Arten gelten als stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht (Birkhuhn, Wachtelkönig, Raubwürger, Braunkehlchen). Es handelt sich überwiegend um Vögel, die strukturreiches Offenland, möglichst mit hohem Anteil an Feuchtflächen, bevorzugen, aber darüber hinaus empfindlich auf Störungen reagieren. Neben den genannten Arten sind in diesem Sinne auch die Vorkommen von Bekassine, Kiebitz, Karmingimpel, Birkenzeisig und Feldschwirl von Bedeutung. Der wahrscheinlich häufigste Brutvogel des Gebietes dürfte der Wiesenpieper sein. Dieser - wie auch der Baumpieper - hat zweifelsohne vom Waldsterben der 1980er und 90er Jahre profitiert.

Weithin hörbar und selbst bei näherer Begegnung überhaupt nicht scheu sind die von tschechischen Jägern 2006 ausgesetzten Fasane. Diesen wird angesichts des hohen Druckes von Prädatoren (vor allem Wildschwein und Fuchs) sicher kein langes Leben beschieden sein.

Birkhuhn im Ost-Erzgebirge


In ganz Deutschland verabschiedet sich das Birkhuhn von einem Lebensraum nach dem anderen, in einigen Bundesländern ist die Art mittlerweile ganz erloschen. Auch Sachsen liegt in diesem besorgniserregenden Trend: vor 1940 soll es noch über 100 Vorkommensgebiete gegeben haben, 1960 waren es noch 60, 1970 nur noch 20, 1987 lebten nur in 5 sächsischen Landschaften Birkhühner. Heute gilt der Kamm des östlichen Erzgebirges - neben der Muskauer Heide - als der letzte sächsische Rückzugsraum dieses einstmals gar nicht so seltenen Hühnervogels. Und nicht nur das: Ornithologen gehen davon aus, dass das hiesige Vorkommen das wahrscheinlich bedeutendste und wichtigste Mitteleuropas ist, zumindest außerhalb der Alpen.

Dabei ist die Situation auch hier im Ost-Erzgebirge heute durchaus kritisch. Nach einer vorübergehenden Zunahme des Bestandes in den 1980er und Anfang der 1990er Jahre - die Birkhühner konnten sich damals auf den Rauchschadblößen ausbreiten - ist die Entwicklung seither wieder rückläufig. Im Moment scheint die Anzahl auf niedrigem Niveau zu stagnieren, hart an der Grenze dessen, was zum Erhalt einer stabilen Population erforderlich ist.

Birkhühner reagieren besonders während Balz und Brut im Frühling, aber auch im Winter sehr empfindlich auf Störungen. Während der Wintermonate lassen sich die Tiere einschneien und verharren in einer Art Winterruhe - kein Winterschlaf, aber dennoch eine sehr energiesparende Lebensweise. Werden sie in dieser Zeit aufgescheucht, beispielsweise wenn Skifahrer abseits der Loipen ihre Spur querwaldein ziehen, dann müssen ihre Körper in kurzer Zeit große Energiereserven für die Flucht mobilisieren. Mangels Futter im Winter können sie diesen Kraftaufwand nicht wieder kompensieren, werden geschwächt und überleben im schlimmsten Fall diesen Winter nicht.

Neben solchen zunehmenden Störungen durch Freizeitaktivitäten geht für die Birkhühner die größte Gefahr von der immer weiteren Beschneidung ihres Lebensraumes aus. Großprojekte wie der Bau der Grenzzollanlage Zinnwald, der Autobahn A17 oder der Biathlonanlage im Hofmannsloch am Kahleberg sind besonders kritisch.

Im Gegenzug dazu versucht der Naturschutz, den Lebensraum innerhalb des Birkhuhngebietes aufzuwerten, beispielsweise durch die Förderung des Anbaus von Feldfrüchten, die dem Birkhuhn als Nahrung dienen können.


Ziesel

Bis vor wenigen Jahrzehnten gehörte ein kleine Erdhörnchen zu den Bewohnern des Ost-Erzgebirges: der Ziesel hatte hier sein einziges deutsches Vorkommen. Es handelt sich eigentlich um ein Tier der südosteuropäischen Waldsteppen, das auch im Böhmischen Mittelgebirge vorkommt und hier im Ost-Erzgebirge einen nördlichen Vorposten seiner Verbreitung besaß - solange noch kurzrasige Wiesen die Landschaft prägten und die landwirtschaftlichen Nutzflächen nicht mit schweren Maschinen befahren wurden. Wahrscheinlich seit den 1970er, spätestens seit den 1980er Jahren gilt der Ziesel als die zehnte in Deutschland ausgestorbene Säugetierart. Gegenwärtig bemüht sich der BUND (= Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland) um die Wiederansiedlung der possierlichen Erdhörnchen. Die Erfolgsaussichten dürften allerdings nicht sehr groß sein. Die heute vorherrschenden, aufgrund der Stickstoffeinträge hochwüchsigen Grünlandflächen unterscheiden sich doch erheblich von den einstigen, "zieselgerechten", kurzrasigen Bergwiesen. Außerdem lauern viele bereits viele vierbeinige und gefiederte Fleischfresser auf die neue, halbzahme Futterquelle.


Blick vom Zinnwalder Lugstein über die östliche Kammhochfläche des Ost-Erzgebirges

Quellen:

Agentura Ochraniy Prírody a Krajiny CR: Ústecko, Chránená území CR I.; 1999

Staatliches Umweltfachamt Radebeul: Flächenhafte Naturdenkmale im Weißeritzkreis; 1998

David, Petr, Soukup, Vladímír u.a.: Reiseführer Erzgebirge - Ost, 2001

Hammermüller, Martin u.a.: Um Altenberg, Geising und Lauenstein; Werte der Deutschen Heimat, Band 7, 1964

Schierge, Elisabeth: Unser Geising, 1953

Böhnert, Wolfgang: Schutzwürdigkeitsgutachten Grenzwiesen Fürstenau/Osterzgebirge, 1995 (unveröffentlicht)

http://www.bergbaumuseum-altenberg.de/guepfad/index.htm (Grenzüberschreitender Bergbaulehrpfad)