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Mordgrund und Bienhof

Das ehemalige Hammergut Bienhof, ein Ortsteil von Oelsen, wirkt heute sehr verlassen. Bekannt wurde es, nachdem der Landesverein Sächsischer Heimatschutz im Mai 1921 hier sein Forschungs- und Erholungsheim einrichtete. Ausschlaggebend für die Wahl dieses Standortes war die besondere Naturausstattung des Gebietes. Der Verein kaufte hier bis 1945 eine Fläche von 282 ha auf und errichtete damit das damals zweitgrößte Naturschutzgebiet in Sachsen.

Ausgangs des Tales befindet sich das Rückhaltebecken Mordgrundbach, in dem durch einen Teilstau eine kleine Wasserfläche gehalten wird. An der Stauwurzel erinnert unter einer stattlichen Fichte eine Bank mit Gedenktafel an den Gründer des Landesvereins, Karl Schmidt. Halden hier und am links einmündenden Bach sind letzte Zeugnisse eines bescheidenen Silber-Bergbaus. Zwischen Erlen hat sich eine üppige Hochstaudenflur entwickelt, in der unter anderem Straußenfarn, Akelei-Wiesenraute, Mondviole, Rote und Weiße Pestwurz, Baldrian, Johanniswedel und Rote Lichtnelke gedeihen. Aber auch die Telekie, ein Neophyt aus den südosteuropäischen Karpaten, breitet sich immer mehr aus.

Die sich von hier bis zum Bienhof erstreckenden, blütenreichen Feuchtwiesen waren früher berühmt für ihren Reichtum an Himmelschlüsseln, wurden mittlerweile aber aufgelassen und werden zunehmend vom Wald zurückerobert. Nicht selten lauert hier ein Schwarzstorch am Bach auf Nahrung.

Bemerkenswert ist auch ein schöner Erlenbestand am Mühlteich Bienhof.

Der westlich des Bienhofes ansteigende Wiesenhang, über den auch der Wanderweg nach Oelsen aufwärts führt, lässt in seinem unteren Teil kaum noch erahnen, welche botanische Pracht er einstmals trug. Fuchsschwanz, Sauerampfer und Löwenzahn dominieren jetzt und künden eher von der intensiven Weidewirtschaft der DDR-Zeit als von der Vergangenheit als bedeutendes Naturschutzgebiet. Und dennoch: hier an diesem Hang, verborgen in einer geschützten Quellmulde, hat sich eine der wertvollsten Oelsener Wiesen - die sogenannte Höckelwiese - erhalten können. Neben vielen anderen Berg- und Feuchtwiesenarten gedeihen hier noch Raritäten wie Trollblume, Breitblättrige Kuckucksblume, Sibirische Schwertlilie und Kugelige Teufelskralle. Doch auch hier gilt: das Betreten der Naturschutz-Wiesen ist nicht nur verboten, sondern kann auch beträchtlichen Schaden hervorrufen.


Breitblättrige Kuckucksblume auf der Höckelwiese

Neben so verstreuten Wiesen wie der Höckelwiese gehören vor allem größere Laubwaldbereiche zum Naturschutzgebiet "Oelsen". Am Westhang des Tales befindet sich ein prächtiger Altbuchenbestand, den auch der Wanderweg (gelber Strich) vom Bienhof nach Oelsen durchquert. Purpur-Hasenlattich und Quirlblättrige Weißwurz zeigen den montanen Charakter an. Am zahlreichen Wald-Schwingel, einem von mehreren Gräsern hier, kann man erkennen, dass es sich um eine Übergangsform der bodensauren Hainsimsen-Buchen(misch)wälder "normaler" Osterzgebirgs-Standorte zu den besser mit Nährstoffen versorgten Waldmeister-Buchenwälder handelt. Waldmeister selbst ist ebenfalls vorhanden , und auch Bingelkraut, Christophskraut sowie Haselwurz weisen auf die relativ kräftigen und nicht zu sauren Bodenverhältnisse hin. Besonders gut mit Nährmineralen versorgte, feuchte und blockreiche Hangbereiche beherbergen üppige Mondviolen-Vorkommen sowie zahlreiche Farnarten. In feuchteren Bereichen allerdings bildet die Zittergras-Segge dichte Teppiche. Anschaulich zeigt sich an solchen Stellen, wie wichtig umgestürzte Bäume und deren Wurzelteller im Wald sind, denn bei dichter Bodenvegetation können die Keimlinge der Bäume nur hier Fuß fassen.

Am Rande des Buchenbestandes gedeihen einige Sträucher Schwarzer Heckenkirsche. Die stark verbissenen Laubgehölze im Waldrandbereich verdeutlichen die extrem hohe Wilddichte (Rothirsche, Rehe), die selbst der eigentlich gar nicht so schmackhaften Buche hier Schwierigkeiten bereitet.

Vom Bienhof zieht sich über die Grenze bis auf die Höhe östlich des Sattelberges das Mordgrundtal. Bis 1870 mäandrierte der Bach hier in zahllosen, sich jedes Frühjahr verändernden Schleifen. Dann wurde er begradigt, der Charakter des Tales veränderte sich erheblich, der Pflanzenreichtum ging zurück. Das Hochwasser 2002 hinterließ abgelagerten Flussschotter - einen sehr interessanten, neuen Lebensraum. Geplant ist nun, die Sohle des Baches wieder anzuheben und damit dem Gewässer seine Aue zurückzugeben. Das ist gut für die Natur, und auch gut für den Hochwasserschutz.

Im naturnahen Mittelteil des Mordgrundes verläuft die Staatsgrenze. Hier sind Weiße Pestwurz, Akelei-Wiesenraute, Quirlblättrige Weißwurz, Sterndolde und Bunter Eisenhut zu finden. Eine Gruppe von Alpen-Heckenrosen (Rosa pendulina) ist seit langem den Botanikern bekannt. Womöglich sind diese hier einheimisch, vielleicht wurden sie aber auch erst vom Menschen hergebracht. Es hält sich die Anekdote, dienstbeflissene Untertanen des sächsischen Königs hätten im 19. Jahrhundert der botanisierenden Majestät das Erfolgserlebnis eines Erstfundes einer besonders schönen Pflanzenart verschaffen wollen ...