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Klengelsteigwiese


Eine der eindrucksvollsten, farbenprächtigsten und artenreichsten Wiesen Sachsens begrüßt die Besucher des Geisingberges, die von Altenberg aus nicht auf geradem Wege zum Gipfel wandern, sondern den Klengelsteig im Nordwesten für den Aufstieg wählen. Wo dieser von der "Alten Bärensteiner Straße" (auf Wanderkarten auch als "Hohe Straße" bezeichnet) abzweigt, findet man rechter Hand zunächst eine recht magere, kurzrasige Bergwiese vor, vor allem mit Bärwurz, Kreuzblümchen, Berg-Platterbse, Harz-Labkraut und Kanten-Hartheu. Auch die niedrigwüchsigen Gräser (Rot-Schwingel, Feld-Hainsimse, Schmalblättrige Hainsimse, Draht-Schmiele, Rotes Straußgras) bilden hier nur eine lockere Rasennarbe. Im vegetationskundlichen Sinne handelt es sich um einen Borstgrasrasen - zu arm, zu sauer für anspruchsvollere Wiesenpflanzen wie etwa Trollblumen oder Knabenkraut. Stattdessen blüht hier ab Mitte Juni der Arnika. Bis hierher reicht der Einfluß der Sickerwässer nicht, die sich nach längerer Verweildauer im Basaltstock des Geisingberges mit wichtigen (basischen) Mineralien angereichert haben und diese dann den umgebenden Wiesen zuführen. Stattdessen macht sich an der unteren Klengelsteigwiese der saure Untergrund des Quarzporphyrs im Pflanzenbestand bemerkbar. Hier ist die rar gewordene Heimat der einstmals weitverbreiteten konkurrenzschwachen Wiesenarten.

Das gilt allerdings nur für die Wiese rechts des Weges. Diese stand auch zu DDR-Zeiten unter Naturschutz. Die Fläche auf der anderen Seite der Steinrücke hingegen wurde "normal" bewirtschaftet, also recht intensiv beweidet und auch stark gedüngt. Die dabei in den Boden gebrachten Nährstoffe wirken bis heute nach. Trotz zweischüriger Mahd seit 15 Jahren ist der Unterschied zum benachbarten Borstgrasrasen noch immer offensichtlich. Die Vegetation ist höher und dichter, Arnika und Kreuzblümchen haben hier noch immer kaum eine Chance.


Neuling am Geisingberg: der Wald-Storchschnabel

Hinzugekommen ist in den letzten Jahren allerdings der Wald-Storchschnabel - eine bemerkenswerte Entwicklung. Während diese besonders hübsche Bergwiesenblume im Tal der Wilden Weißeritz und anderen weiter westlich liegenden Gebieten des Erzgebirges jeden Mai in großer Zahl blüht, gab es sie im Geisingberggebiet und dem angrenzenden Müglitztal bislang (fast) überhaupt nicht. Zum einen deutet dies auf klimatische Unterschiede hin (die Ostflanke des Erzgebirges ist deutlich kontinentaler geprägt). Zum anderen aber waren früher die Heu-Transportwege vor allem nach Norden ausgerichtet - zu den Heumärkten und Großverbrauchern (v.a. den Fuhrunternehmen) in Dresden bzw. Freiberg. Pflanzensamen breiteten sich dadurch vorzugsweise auch in dieser Richtung aus. Heute hingegen bewirtschaftet ein Landwirt aus dem Weißeritzgebiet auch große Teile der Geisingbergwiesen - möglicherweise hat auf diese Weise der Wald-Storchschnabel auch hier Einzug gehalten.

Auf der Steinrücke zwischen den beiden Wiesen gedeihen im unteren Teil auch einige Feuerlilien und Busch-Nelken.

Beim weiteren Aufstieg auf dem Klengelsteig in Richtung Geisingberg macht sich eine deutliche Veränderung der Vegetation auf der Wiese rechter Hand bemerkbar. Die ersten Trollblumen und Breitblättrigen Kuckucksblumen veranlassen zum Staunen und Fotografieren. Magerkeitszeiger wie Borstgras bleiben hingegen zurück, selbst der Bärwurz macht sich rar. Die Gräser (v.a. Rot-Schwingel, Gemeines Rispengras, Ruchgras und, im Trittbereich des Weges, auch Kammgras) sind deutlich kräftiger und größer - und dies trotz des hier ebenfalls hinzutretenden Kleinen Klappertopfes, der an den Graswurzeln schmarotzt. Außerdem wachsen in diesem Bereich typische Bergwiesenarten wie Perücken-Flockenblume und Weicher Pippau.

Ungefähr ab der Hälfte des Weges - Steinrücke und Wanderpfad machen hier einen kleinen Knick - beginnt die Wiese erheblich feuchter und noch artenreicher zu werden. Mehrere tausend Exemplare Breitblättrige Kuckucksblumen und zumindest einige hundert Trollblumen bieten alljährlich Ende Mai/Anfang Juni ein einzigartiges Natur-Erlebnis. Hinzu treten Sumpf-Pippau, Kuckucks-Lichtnelke, Kleiner Baldrian, Wiesen-Schaumkraut, Wiesen-Knöterich, Schmalblättriges Wollgras und der seltene Moor-Klee. Vereinzelt kann man auch mal eine Händelwurz-Pflanze (eine in Sachsen heute seltene Orchidee) finden. Etwas früher, je nach Schneeschmelze Ende April oder Anfang Mai, beherrschen Sumpf-Dotterblumen das Bild. Hier tritt das basischen Quellwasser des Geisingberges ans Tageslicht. und schafft ideale Bedingungen für Pflanzenarten, die eine ausgeglichene Nährstoffbilanz des Bodens benötigen. Etwas trockenere Bereiche wechseln sich auf engstem Raum ab mit nassen Senken - entsprechend eng verzahnt sind hier auch Bergwiesen (Trollblumen-Ausbildungsform der Bärwurz-Bergwiesen), Feuchtwiesen (Trollblumen-Knöterich-Feuchtwiesen) sowie Binsen- und Kleinseggensümpfe.


Hain-Wachtelweizen

Besonders auffällig sind entlang des Weges und der Steinrücke die zahlreichen gelb-blauen Blüten des Hain-Wachtelweizens. Noch vor einigen Jahren hatte auch diese Steinrücke den Charakter eines recht dichten Waldstreifens. Seit einem Pflegeeingriff ("Auf-Stock-setzen" der Gehölze) kommt nun zwar wieder mehr Licht auf den Boden (und die Trollblumen- und Orchideensamen haben wieder eine Chance, die benachbarte Wiese zu erreichen), aber trotzdem wachsen hier immer noch einige Waldarten wie Wurmfarn, Großes Springkraut, Goldnessel, Wald-Flattergras, Quirl-Weißwurz und Fuchs-Kreuzkraut.

Am Waldrand, besonders nordöstlich der Steinrücke (wo bis 1990 noch gedüngt und recht intensiv beweidet wurde), haben die feuchten Wiesen infolge reichlich vorhandener Nährstoffe den Charakter von Hochstaudenfluren. Dicht- und Hochwüchsige Pflanzen von Wiesen-Knöterich, Mädesüß und Quirl-Weißwurz beherrschen hier die Vegetation. Für Trollblumen und Orchideen ist dazwischen kaum noch Platz. Hinzu kommt die Beschattung durch den Waldrand.

Der Wanderer betritt nun eine andere Welt - nicht minder interessant als die artenreichen Berg- und Nasswiesen am Klengelsteig. Wer den Wanderweg am Geisingbergfuß nach rechts entlanggeht, kommt beispielsweise an einigen alten Hudebuchen vorbei, deren Bucheckern früher die Ziegen sattmachten, die viele Altenberger Familien besaßen.

Nach links hingegen geht es in Richtung Sachsenabfahrt und ehemalige Sprungschanze.