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Weißbachtal

Zu den reizvollsten Wandertälern gehört das Tal des Weißbaches, der an der Hermsdorfer Schickelshöhe entspringt und nach knapp fünf Kilometern zwischen Seyde und Schönfeld in die Wilde Weißeritz mündet. In seinem oberen Teil trägt das Tal den Namen Köhlergrund - wie viele andere Flurnamen im Ost-Erzgebirge ein Hinweis auf das bis ins 19. Jahrhundert weit verbreitete Gewerbe der Köhlerei. Wegen fehlender oder schwer zu befahrender Höhenwege war es kaum möglich, Holz im Ganzen aus den Wäldern zu den Bergwerken und in die Städte zu transportieren. Also musste das Brennmaterial zuvor an Ort und Stelle zu Holzkohle veredelt werden. Viele Osterzgebirgler tragen heute noch den Familiennamen Köhler oder Göhler.


Alpen-Milchlattich im Köhlergrund

Der (steilere) Hang auf der Ostseite des Tales ist fast vollständig mit Fichtenforst bestockt, auf der Westseite wechseln sich beweidete Grünlandhänge mit Gehölzbeständen ab. Dazwischen liegt eine 20 bis 100 Meter breite Talsohle, die ebenfalls überwiegend beweidet wird, im Köhlergrund seit einigen Jahren mit einer Schafherde.


Schafherde im Köhlergrund

Der Quellbereich des Weißbaches wurde mittlerweile aufgeforstet, überwiegend mit Fichten. Die Agrargenossenschaft Hermsdorf bemüht sich seit längerem darum, etwa 200 Hektar ihrer landwirtschaftlichen Nutzflächen in Wald umzuwandeln. Weil es sich dabei aber vor allem um schwer zu bewirtschaftende, weil zu nasse, zu steile, zu magere oder zu abgelegene Standorte handelt, betreffen diese Aufforstungsbestrebungen häufig auch naturschutzfachlich wertvolle Wiesen. Gerade die Grünland-Flächen, an denen die Landwirtschaft heute gar kein Interesse mehr hat, wurden auch zu DDR-Zeiten nur verhältnismäßig schonend genutzt. Hier kam kaum mal ein Güllewagen her, hier wurde nur ein oder zweimal im Jahr eine Jungrindherde eingekoppelt. So konnten sich in diesen Bereichen Pflanzenarten erhalten, die ansonsten selten geworden sind. Aus diesem Grund begrenzten die Naturschutzbehörden nach langen, heftigen Auseinandersetzungen die Aufforstungsbestrebungen der Agrargenossenschaft. Infolge des Hochwassers 2002 wurde das Thema aber noch einmal akut. Ein Fichtenforst bietet allerdings kaum besseren Hochwasserschutz als eine Bergwiese (eher weniger). Die vergleichsweise ertragreichen Acker-Hochflächen in Mischwälder umzuwandeln, sieht das Aufforstungsprojekt nicht vor.

An der Bergakademie Freiberg lief von 2003 bis 2006 ein Forschungsprogramm namens "HochNatur" (Hochwasser- und Naturschutz im Weißeritzkreis), bei dem vor allem im Weißbachtal konkrete Untersuchungen vorgenommen wurden zu Maßnahmen, die beiden Schutzzielen dienen würden. Dabei kamen die Wissenschaftler zu dem - wenig überraschenden, aber nun fundierten - Ergebnis, dass gut durchwurzelte Böden in einer strukturreichen Landschaft den Abfluss von Extremniederschlägen erheblich verzögern und somit die Hochwasserspitzen reduzieren können. Im Klartext: Bergwiesen und Steinrücken sind besser als Maisäcker. Nur muss sich das für die Landbewirtschafter "rechnen". Bislang bleibt der Hochwasserschutz in Sachsen jedenfalls technikfixiert - Dämme und Ufermauern haben Vorrang vor landschaftsverträglichen Maßnahmen.

Das Hochwasser 2002 hat auch auf der Sohle des Weißbachtales interessante Schotterflächen zurückgelassen, auf denen man bunte Geröllgemeinschaften aus mehreren Gneis- und Porphyrvarietäten des Weißbacheinzugsgebietes findet. Hier kann sich die natürliche Sukzession (Vegetationsentwicklung) entfalten. Im Moment bieten die Schotterflächen noch vor allem Bergwiesenpflanzen (Bärwurz, Alantdistel, Wiesenknöterich, Wald-Storchschnabel), Nasswiesenpflanzen (u.a. Bach-Nelkenwurz) und weiteren lichtbedürftigen Arten wie Rote Lichtnelke, Barbarakraut und Margerite geeignete Wachstumsbedingungen. Aber schon wachsen Weiden (Sal-Weide, Bruch-Weide) und Birken (Sand-Birke, Moor-Birke) hoch und werden in wenigen Jahren die Herrschaft übernehmen - bis zum nächsten Hochwasser.