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Stropník/Strobnitz (855 m)




Blick vom Stropnik im Winter 2006, das Nordböhmische Becken von dichtem Nebel verhüllt.

Der Stropnik ist einer der eindrucksvollsten Berge des Ost-Erzgebirges. Der ansonsten relativ geradlinig verlaufende Erzgebirgskamm formt hier eine markante "Ausstülpung". Der Kamm ragt an dieser Stelle weit nach Südosten hinaus, wobei der Stropnik die vorderste Hangkante bildet. Da der Gebirgsfuß - also die Grenze zwischen Erzgebirge und Nordböhmischem Becken - diese "Ausstülpung" nicht mit vollzieht, ist der Berghang hier besonders steil. Vom Stropnik-Gipfel bis zum Bahnhof Osek fällt das Terrain 500 Höhenmeter ab - und dies auf 2 Kilometern Luftlinie! Dies lässt den Berg von unten sehr mächtig wirken, von Osek aus erscheint das Erzgebirge fast wie ein Hochgebirge.

Der Gipfel selbst ist gut zugänglich. Vom Kammplateau aus steigt das Gelände nur wenig an, was einen Abstecher für Radler oder Skiläufer unbedingt empfehlenswert macht. Gneisfelsen durchragen den Hang direkt am Gipfel wie auch am Wanderweg an seiner Nordflanke ("Skalní vyhlad"). Wegen der Kamm-"Ausstülpung" und der exponierten Position der Felsen bietet sich hier eine im doppelten Sinne hervorragende Aussicht - wie wohl nirgends sonst im Ost-Erzgebirge. Das, was beispielsweise dem Besucher am viel bekannteren Bournák/Stürmer verborgen bleibt, eröffnet sich hier: man kann bis nach Chomutov/Komotau und zum Doupovské hory/Duppauer Gebirge sehen. Klare Sicht vorausgesetzt, doch die gibt es nicht allzu häufig in der immer noch viel zu abgasreichen Luft über dem Nordböhmischen Becken. Bei guten Sichtverhältnissen bleiben einem aber auch die Narben der Landschaft nicht verborgen: die riesige Chemiefabrik bei Litvínov, die Kraftwerke und die umfangreichen Tagebaue bei Jirkov. Dennoch: Ein Besuch des Stropnik gehört zu den eindrucksvollsten Landschaftserlebnissen!

Die Felsen auf dem Gipfel sind bis zehn Meter hoch und erstrecken sich über eine Fläche von ca. vierzig mal zweihundert Metern. An diesen Felsen sind die Strukturen des Gneises gut sichtbar. Es treten hier schwach rekristallierte Paragneise auf, die zu stark rekristallisierten übergehen. Die Rekristallisierung zeigt sich an der Vergröberung aller Mineralbestandteile (vor allem Feldspate) und deshalb auch an relativ heller Färbung.


Gneisblöcke am Skalní vyhlad (Nordosthang des Stropnik)

Der Erzgebirgsabbruch


Südostrand des Erzgebirges, vom Stropnik aus gesehen

Vom alten Erzgebirgssattel des Variszischen Gebirges - dem "Ur-Erzgebirge" - hatten lange Zeiten der Erosion nicht mehr viel übrig gelassen als eine mehr oder weniger flache, etliche Kilometer dicke Gesteinsplatte aus Gneisen, Phyllit, Granit, Quarz- und Granitporphyr sowie zahlreichen weniger häufigen Gesteinen. Die Erdkruste im Gebiet des heutigen Mitteleuropa lag weit abseits der tektonisch aktiven Zonen. Neue Berge konnten damit während des gesamten Erdmittelalters hier nicht entstehen. In der Kreidezeit, vor rund 100 Millionen Jahren, überspülte zeitweilig sogar das Meer diese Fast-Ebene.

Doch dann setzte allmählich wieder eine stärkere Bewegung der Kontinentalplatten ein. Afrika begann gegen Europa zu drängen. Die Sedimentpakete am Grunde des Tethysmeeres (dessen Rest das heutige Mittelmeer bildet) wurden zusammengeschoben und gefaltet. Stück für Stück hoben sich die Bergketten der Alpen über den Meeresspiegel. Auch an vielen anderen Stellen der Welt, im Kaukasus, im Himalaya und in den Kordilleren, begannen sich während Kreidezeit und Tertiär die heutigen Hochgebirge zu formen.

Die Gebiete nördlich der Alpen gerieten ebenfalls zunehmend unter Druck. Doch die dicke Platte aus harten Gesteinen, die vom Variszischen Gebirge übrig geblieben war, verhielt sich ganz anders als die flexiblen Sedimentpakete vom Grunde des Tethysmeeres. Seitlicher Druck führte hier nicht zur Faltung wie bei einem zusammengeschobenen Teppich, sondern zur zunehmenden Aufwölbung - vergleichbar mit einem Sperrholzbrett zwischen den Klauen einer Schraubzwinge, die nach und nach weiter zusammengedreht wird. Immer höher hob sich der zentrale Bereich des lange zuvor eingeebneten Ur-Erzgebirges - bis die spröde Gesteinsplatte in der Mitte auseinanderbrach!

Dies geschah in der Mitte des Tertiärs, vor ungefähr 23 Millionen Jahren. Dabei war es nicht ein einziger langer Bruch, sondern eine ganze Reihe solcher Risse ("Verwerfungen" in der Geologensprache), die die Region durchzogen. Und natürlich passierte dies auch nicht über Nacht, sondern erstreckte sich über mehrere Millionen Jahre. Das Ergebnis war eine deutliche Teilung in zwei völlig unterschiedliche Schollen:

Der Nordteil stellte sich schräg und wurde in die Höhe geschoben, der Südteil im Gegenzug wurde nach unten gedrückt. Aus ersterem wurde dann das heutige Erzgebirge, letzteres bildete fortan den so genannten Egertalgraben, zu dem im geologischen Sinne auch das Nordböhmische Becken gehört. Zwischen Erdkruste und Erdmantel blieb die zusätzliche Masse der herabgedrückten "Ur-Erzgebirgs-Südhälfte" nicht ohne Folgen. Der Überdruck führte dazu, dass aufgeschmolzenes Gestein im Gegenzug über Spalten und Klüfte bis zur Erdoberfläche aufstieg. Vulkane brachen aus und schleuderten Asche über das Land. Basaltlava trat aus und bildete Deckenergüsse, anderes Magma erstarrte innerhalb der obersten Krustenschichten zu Klingstein-Felsen ("Phonolith"). Nachfolgende Abtragung formte daraus eine der reizvollsten Landschaften Mitteleuropas: Das Böhmische Mittelgebirge/CeskéStredohorí.

Weit über 1000 Meter muss der Höhenunterschied zwischen der Sohle des Nordböhmischen Beckens und dem Erzgebirgskamm einmal betragen haben. Doch gleichzeitig mit dem Entstehen von Bergen setzt auch sofort wieder deren Vergehen ein. Die Erosion hat schon wieder etliche hundert Meter oben abgetragen und (zumindest teilweise) in den Senken des Egertalgrabens einschließlich des Nordböhmischen Beckens abgelagert.

Wer sich heute von Süden her dem Ost-Erzgebirge nähert, ist beeindruckt von der steil aufstrebenden Erzgebirgswand. In zehn oder zwanzig Millionen Jahren wird davon nicht mehr viel übrig sein. Falls nicht Afrika abermals mit größerer Heftigkeit gegen Europa drängt.


steiler Erzgebirgs-Südhang am Stropnik